Obacht, das wird ein etwas längerer Artikel. Er wirkt vielleicht auch etwas konfus, weil es so viel gibt, was ich mit meiner Zeit in Nordnorwegen verbinde, dass ich es nicht wirklich gefiltert gekriegt habe. Aber vielleicht bringe ich einfach Einzelaspekte nochmal ausführlicher in Extraposts, wenn es euch interessiert.
Heute vor genau 10 Jahren bin ich auf dem Flughafen in Tromsø/Nordnorwegen gelandet für ein kleines Abenteuer. Eigentlich für ein Semester Auslandsaufenthalt an der Uni Tromsø, aber für alle anderen war es wohl so, als ob ich zu einem Abenteuerurlaub aufbreche. Oberhalb des Polarkreises. Fernab jeder Zivilisation. So stellten sich die Leute es wohl vor, denen ich von meinen Plänen erzählte. Ich wurde ernsthaft gefragt, ob ich sicher sei, dass es dieses Tromsø wirklich gäbe. Denn bei den Wetterkarten im Fernsehen hören die Karten für Norwegen oberhalb von Lillehammer auf.
Ich kann alle beruhigen, ja Tromsø existiert wirklich und ist sehr hübsch und sehenswert. Und es war für mich eine große Erfahrung. Wäre ich fähig allein so weit weg von zuhause meinen Alltag zu bestreiten? Was würde passieren, sollte ich krank werden? Würde ich überhaupt etwas verstehen?
Zwar hatte ich schon 1,5 Jahr norwegisch in der Uni gelernt, aber ein bisschen Bammel hatte ich schon, ob das ausreichen würde, um zu überleben. Aber sicherheitshalber kann man ja in Skandinavien immer auf Englisch wechseln, wenn man mit der Nationalsprache nicht mehr klar kommt, da fast alle englisch sprechen. Also alles halb so schlimm. Da ich ein positiv denkender Mensch bin, hab ich dann irgendwann beschlossen nicht mehr drüber nachzudenken, sondern einfach zu machen. Und so ist auch alles prima gelaufen. Auch alle anderen „Probleme“ waren keine. Denn – entgegen der Vermutungen vieler meiner Mitmenschen – hört Norwegen nicht oberhalb von Lillehammer auf, Tromsø existiert also wirklich und es ist auch keineswegs außerhalb der Zivilisation. Und die Uni Tromsø ist wirklich gut organisiert gewesen. Im Vorfeld wurde schon geklärt in welchem Studentenwohnheim ich wohnen würde, an welchem Hotel ich meinen Schlüssel abholen kann nach meiner Ankunft. Es war klar in welche Kurse ich eingetragen wurde und ich hatte genug Informationen zu allem, was man braucht: Wo kriege ich meine Studentenbuskarte? Wo ist der nächste Supermarkt? Wie komme ich am schnellsten in die Innenstadt? Mit welchem Bus muss ich zur Uni? All diese Infos hatte ich im Gepäck als ich losflog.
Der Flug war dann schon das erste kleinere Problem. Man hatte mir im Reisebüro mehrmals versichert, dass ich mich beim Umstieg nicht um mein Gepäck kümmern müsste, dass es direkt in den Anschlussflieger von Oslo nach Tromsø weitergeleitet wird. Doch während des Fluges hab ich dann erfahren, dass ich doch mit meinem Gepäck aus- und wieder einchecken muss. Gut zu wissen, ich hatte ja nur die maximal erlaubte Gepäckmenge dabei plus Handgepäck plus Laptoptasche. Also schleppte ich dieses durch den halben Flughafen von Oslo zum Gate, wo der Flieger nach Tromsø abflog. Leider habe ich beim Fliegen aufgrund des Drucks immer große Probleme mit den Ohren und brauche einige Zeit bis ich wieder richtig höre, daher war das das größte Abenteuer für mich überhaupt. Dass ich es auch zum richtigen Zeitpunkt an den richten Ort im Flughafen schaffe.
Als ich in Tromsø ankam, war es mittags und stockdunkel. Denn im Januar ist es nur ca. 1-2 Stunden hell bzw. es gibt so eine Art Dämmerung und dann ist es wieder dunkel. Im Gegensatz zu Deutschland gibt es ein Frühjahrs- und Herbstsemester und die Unkereien der Leute hatten dazu geführt, dass ich doch etwas Angst vor der totalen Dunkelheit hatte und deshalb nicht schon im September mit dem Auslandssemester begonnen habe, sondern erst im Januar. Daher hab ich die totale Dunkelheit nicht erlebt, sondern hatte schon ein paar Stunden Dämmerung. Ich holte also wie vereinbart im Hotel meinen Schlüssel ab und ließ mich zum Studentenwohnheim mit dem Taxi bringen.
Ich lebte in „Mortensnes“, einer Studentensiedlung mit roten und ockergelben Häusern, die locker verteilt angeordnet waren. Mein Zimmer befand sich in einem der typisch roten Skandinavienhäuser. Jedes Haus hatte vier Flure mit je acht Zimmern. Ich hatte Glück und Pech zugleich mit meinem Haus. In meinem Flur lebten nur norwegische Studenten, eigentlich perfekt um norwegisch zu sprechen, aber leider waren meine Mitbewohner – bis auf einen – extrem kontaktscheu. Die meisten davon hab ich nie gesehen – und ich hab ein halbes Jahr dort gelebt. Das war für mich etwas schwierig. Im Haus selbst wohnten jedoch viele andere Erasmusstudenten und wir haben uns schnell zusammengeschlossen. Im Flur über mir lebten auch einige sehr nette und hilfsbereite Norwegerinnen. Aber alles in allem hab ich kaum Kontakt zu norwegischen Studenten gehabt und bin vor allem mit den anderen Erasmusstudenten zusammen gewesen.
Als ich ankam, gab es – entgegen der Unkereien – gar keinen Schnee. Es war zwar kalt, aber eben ohne Schnee. Doch ein paar Tage drauf hat´s dann geschneit – und wie. Und der Schnee und das Eis gingen auch sehr lange nicht mehr weg.
Tromsø ist die achtgrößte Stadt Norwegens und die größte im Norden des Landes, daher ist sie auch Sitz der Provinzverwaltung. Wenn man nicht so viel zu sagen weiß, dann kann man im Zweifel immer sagen, dass es hier alles als „nördlichste der Welt“ gibt: Nördlichste Uni der Welt, nördlichste Brauerei der Welt, nördlichste Kathedrale der Welt… Die Stadt ist ein netter Ort, dessen Kern auch noch einige der typisch skandinavischen Holzhäuser aufweist. Die Kathedrale ist übrigens eine sehr spannende, sie ist nämlich dreieckig. Viele Museen laden zum Erkunden ein und in der Innenstadt gibt es süße Cafés und große Einkaufsläden. Etwas seltsam war, dass in den Läden immer sehr warm geheizt wurde, sodass man im T-Shirt einkaufen konnte. Seltsam ist es, weil man ja draußen minus 10 oder 15 Grad hat und dementsprechend warm angezogen ist. Also zieht man erstmal mehrere Schichten Klamotten aus, wenn man einkaufen geht – man braucht also einen Einkaufswagen, keinen Korb :-)
Die Uni ist eine Campusuni, bei der die meisten Gebäude unterirdisch miteinander verbunden sind, damit man nicht dauernd die dicken Wintersachen aus- und anziehen muss. Für mich war es überraschend wie gut die Uni technisch ausgestattet war. Aus meiner Uni Freiburg kannte ich es, dass man in den Kunstgeschichtskursen noch mit Diaprojektoren arbeitete, und zwar mit zweien, damit man auch Bildvergleiche machen konnte. In Tromsø kamen die Dozenten mit ihrem USB-Stick und los ging´s, denn Beamer und Laptop waren in den Klassenzimmern vorhanden. Die Dozenten kamen übrigens in Hausschuhen, wie auch viele Studenten. Die Uni hat übrigens einen eigenen Gerichtssaal zur Übung für die angehenden Juristen. Überall sind Gruppenräume vorhanden, in denen man in kleineren oder größeren Gruppen arbeiten kann – auch hier super ausgerüstet mit Technik und W-lan. Es ist üblich, dass Gruppenarbeiten zur Benotung abgegeben werden. Das meiste wird übrigens online im „Digital-Klassenraum“ abgegeben, dort kann man auch Stundenpläne, Prüfungsvorgaben etc. abrufen oder Kontakt zu den Dozenten aufnehmen. Kurzfristige Änderungen der Unterrichtszeiten werden ebenfalls dort veröffentlicht.
Für mich war es ein großer Gewinn, dass ich ein halbes Jahr dort studieren durfte. Es hat mich sehr weitergebracht in meiner Persönlichkeitsentwicklung (ohje, wie das klingt!) und ich habe viel über mich selbst gelernt. Mit vielen der damaligen Erasmusleute habe ich noch Kontakt (mal mehr, mal weniger) und ich bin sehr froh, dass ich sie kennenlernen durfte. Für die Uni hat es mir scheinmäßig nichts gebracht ein Semester in Norwegen zu studieren, weil es leider in der Uni Freiburg ein paar Fehlinfos bezüglich meiner Erasmuskurse gab, aber persönlich war es für mich eine großartige Zeit, die ich nicht missen möchte. Ich bin ein eher schüchterner Mensch und für mich war es eine tolle Erfahrung, dass ich diese halbe Jahr geschafft habe: Alleine zu entscheiden, und mit der Entscheidung zu leben. Sich neu einzufinden in eine Umgebung, an der Uni sich in einer fremden Sprache durchzubeißen und viele großartige Orte sehen zu dürfen.
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