Der Sommer der Freiheit (Heidi Rehn)*

Vielen lieben Dank für das Rezensionsexemplar.

 

heidi-rehn-sommer-freiheit-knaur-gruessevomseeSelma Rosenbaum lebt das Leben einer höheren Tochter. Entspannt und ohne Sorgen, außer vielleicht, was sie wohl zur Abendveranstaltung anziehen soll. Sie befindet sich mit ihrer eigentlich in Berlin lebenden Familie in der Sommerfrische in Baden-Baden im Grandhotel Bellevue und genießt ihr Leben. Verlobt ist sie mit Gero von Sudloff, einem korrekten Preußen und Berliner Anwalt. Der Vater Joseph ist Zeitungsverleger und in der Politik tätig, Mutter Hedda legt viel Wert darauf, was die Leute denken und will sich immer möglichst korrekt verhalten, wenn irgendwas nicht so klappt, dann flüchtet sie in die Migräne – eine Modekrankheit damals. Bruder Grischa hat gerade das Abitur gemacht und möchte gerne Flieger werden. Großmutter Meta setzt sich für die Frauenbewegung ein und schreibt unter Pseudonym Romane. Doch die Idylle ist schon ein bisschen trügerisch, denn wir befinden uns im Sommer 1913. Als Gero arbeitsbedingt nicht zur Sommerfrische anreisen kann und ihr nur seinen Wagen schickt, damit sie die Gegend erkunden kann, ist Selma anfangs enttäuscht, doch dann macht sie sich mit Grischa auf, die Umgebung abzufahren. Bei einer Autopanne machen sie Bekanntschaft mit Constanze Weißkirchner und ihrem Vater Otto, einem Fabrikanten aus Metz. Constanze kann das Auto reparieren und Selma lädt sie ein einige Zeit mit ihrer Familie zu verbringen und so entsteht eine Freundschaft zwischen ihnen. Constanze, die Ingenieurin werden will und mit Selmas Welt aus Festen, Kleidern und Make-Up nicht wirklich was anfangen kann, zeigt Selma auf, dass sie eigentlich keine eigenen Pläne für ihre Zukunft hat. Bisher hat es ihr ausgereicht irgendwann angesehene Frau eines angesehenen Mannes und Mutter zu sein. Noch ignoriert sie, dass ihr Constanzes Pläne zeigen wie leer ihr eigenes Leben eigentlich ist, und versucht das Küken, wie sie die drei Jahre jüngere Constanze nennt, in die Gesellschaft einzuführen und dieser ihren Lebensstil näher zu bringen.

Im Hotel trifft Selma das erste Mal auf Robert Beck, einen französischen Photographen, in den sie sich verliebt. Als sie in Berlin erneut aufeinandertreffen, geben sie ihrer Liebe nach und werden heimlich ein Paar. Immer mehr entfremdet sie sich von Gero, über den sie noch ein pikantes Detail erfährt. Doch als Selma von Robert schwanger wird, heiratet sie Gero, weil sie weiß, dass er eine Familie ernähren kann, der Künstler Robert hingegen nicht. Und dann kommt es zum ersten Weltkrieg und plötzlich ist Robert aus dem Volk der Feinde. Gero sieht es als seine Pflicht an einzurücken und seinen Dienst zu tun. Doch je länger der Krieg dauert, desto mehr erkennt er, was der Krieg aus den Menschen macht: Ungeheuer. Unterdessen geht das Leben im relativ sicheren Belin fast ungehindert weiter und immer noch ist für Selma das Wichtigste auf welches Fest man gehen könnte und was man dabei anzuziehen hat. Erst als Gero hinter den feindlichen Linien verschollen ist, wacht sie auf und erfasst, dass der Krieg auf ihr Leben betrifft. Dann kommt sie auf die Idee Gero suchen zu wollen, eine Idee, die eigentlich alle für eine Schnapsidee halten, sie aber doch mehr oder weniger unterstützen. Constanze aus Freundschaft, Robert aus Liebe und Meta, um das Schlimmste irgendwie zu verhindern. Tatsächlich gelingt es Selma mit Constanze und Robert in die Nähe von Verdun zu kommen, wo von einem deutschen Offizier berichtet wird, der seine Kameraden erschossen hat, um französische Frauen zu retten. Schließlich können sie Gero finden und in die sichere Schweiz bringen, doch er erkennt, dass ihn der Krieg so sehr verändert hat, dass er nie wieder in Frieden leben kann, und er bricht erneut an die Front auf. Wird Gero überleben? Was passiert mit Constanze, ihrem Vater und der Fabrik? Wird Selma Roberts Liebe erhören? 
 
Insgesamt hat mir das Buch sehr gefallen. Zwischenzeitlich fand ich, hätte man die eine oder andere Gesellschaftsszene weg lassen können. Selma ging mir am Anfang massiv auf die Nerven, als sie immer wieder beharrt ja so modern und emanzipiert zu sein, nur weil sie Hosen trägt und Auto fährt (ich weiß, ich weiß, das war damals modern und emanzipiert), aber außer diesen beiden Tätigkeiten ist sie nicht wirklich modern. So ist für sie klar, dass ihr Leben nur dann perfekt ist, wenn sie verheiratet ist und in den richtigen Kreisen verkehrt. Wer wirklich modern und emanzipiert ist, das aber nicht so raushängen lassen muss, ist Constanze. Und natürlich Meta, die einfach macht, was sie will. Selma lernt erst mit der Zeit, was es heißt ein modernes Leben zu führen. Dass sie so unglaublich nach gesellschaftlichem Leben giert, fand ich auch etwas anstrengend, aber so füllt sie die Leere, denn sie weiß schon selbst, dass es so nicht weitergehen kann. Die Liebesgeschichte zwischen Gero und Selma hab ich nicht so ganz verstanden, weil sie irgendwie immer aus schuldig sein und unausgesprochenen Vereinbarungen besteht, aber meiner Meinung nach nicht wirklich aus Liebe. Zwischen Selma und Robert hingegen ist es die große Liebe. Was ich etwas schade fand, war dass auch Constanze in Robert verliebt dargestellt wird, dann aber erkennt, dass er Selma liebt und sie dann schließlich Selmas Bruder heiratet, das wirkt ein bisschen so, als würde sie Grischa als Ersatz nehmen. Die Idee, dass Selma den verschollenen Gero suchen will und das dann auch tut, fand ich etwas konstruiert, aber es ist für die Dramaturgie der Geschichte wirklich. Eindrücklich hat die Autorin die Geschehnisse der Zeit und die Beeinträchtigungen der Leute in Kriegszeiten dargestellt. Auch die ganze Lebensweise und die Überzeugung, dass der Krieg schnell vorbeisein wird, konnte sie gut rausarbeiten. Mir hat die Sprache sehr gefallen, obwohl das Buch mehr als 600 Seiten hat, kommt niemals das Gefühl auf, dass dieselben Formulierungen genutzt wurden. Die Figuren sind in sich alle stimmig komponiert.
Ein lesenswertes Buch über eine Zeit, die man sich als junger Mensch nicht vorstellen kann und will und wo man hofft, niemals in solche Situationen zu kommen.
Das Cover zeigt eine Hausfront, vor der ein grüner Wagen steht, an den sich eine junge elegante Frau lehnt. Alles ist ganz leicht verschwommen, so dass nicht ganz klar ist, welche Uhrzeit und welches Wetter herrscht und alles in ein geheimnisvolles Licht taucht.

————-
I won this book at the homepage vorablesen.de and the publisher Knaur sent it to me. The book is about the young lady Selma Rosenbaum, who is with her family at the summer vacation in Baden-Baden at the hotel Bellevue in the summer 1913. She´s waiting for her fiancé Gero of Sudloff, a young lawyer and she´s a bit disappointed, that he hasn´t the time to come and sents her his car. She had a driver´s license (a shock for her mother!) and decides with her brother Grischa to do some tours. At one of these tours they have a breakdown and got the help of the young Constanze and her father Otto, a factory owner of Metz. Constanze wants to study engineering as one of the first women. They become friends and Selma opens the society´s world for Constanze, a world Constance didn´t know and feels not fitting in. For Selma is it her living. Although she´s telling to be modern and emancipated, she has no idea what to do with her life, and likes the idea beeing a respected wife of a respected lawyer. At the hotel Selma meets by accident the french photographer Robert Beck – and falls in love with. Back in Berlin they meet again and start a love affair. But suddently everything changes, because the first Worldwar starts and from one moment to another they are enemies. Gero says it´s his duty to be a soldier. Some day he´s reported missing. And Selma decides to find him behind the front, so she starts with the help of Constanze and Robert her searching. They find Gero and bring him into the secure Switzerland, but he decides to go back. Will Gero survive the war? What about Robert´s and Selma´s love? Will Constanze finish her studies?

The book descibes the times and surroundings of the first world war´s time and how the people first thought it´ll be just a short time. The cover shows an old house with a parking green car, onto which a young lady is leaned against. All is a bit diffuse, so it´s not clear which time and season is and which makes the scene a bit mystic. You should read the book, when it´s translated into your language.

Cover: Verlagsgruppe DroemerKnaur

Merken