Die Frau des Juweliers (Judith Lennox)*

Vielen lieben Dank für das Rezensionsexemplar.

Inhalt

Juliette trifft in ihrer Heimatstadt Kairo auf den erfolgreichen Londoner Juwelier Henry Winterton, heiratet ihn nach zwei Wochen Bekanntschaft und folgt ihm nach England. Für die schon in jungen Jahren weitgereiste Juliette bietet Henry, die Familie Winterton und der Landsitzt Marsh Court ein Gefühl von Heimat. Doch schon bald muss sie erkennen, dass die Ehe mit Henry ein großer Fehler war und der despotische Henry sie bei jeder Gelegenheit demütigt. Mit Ausbruch des zweiten Weltkrieges wird alles noch schlimmer, denn die Wintertons verlieren ihren Reichtum, ihre Stellung und die Männer der Familie werden in den Krieg berufen. Juliette arrangiert sich für ihre beiden Kinder Piers und Charlotte mit der Ehe, hat aber über Jahre eine heimliche Affäre mit Gillis, Henrys bestem Freund. Als Henry unerwartet stirbt, ist Juliette erleichtert, doch der Zwist zwischen ihrem Sohn Piers und ihrem Neffen Aidan um die Firma Winterton entzweit fast die Familie. Juliette muss alles tun, um die beiden zu versöhnen. Und dann gibt es da noch Joe, einen Bauern aus der Nachbarschaft, zu dem Juliette sich hingezogen fühlt. Aber darf eine Winterton ihren Gefühlen nachgeben?!

© Piper Verlag – pendo

Das gesamte Buch hindurch war eine düstere Grundstimmung zu spüren, die nicht nur durch die Zeit des Krieges bedingt war, sondern auch durch die Familienkonstellationen der Wintertons. Henry tyrannisiert seine gesamte Familie und man ist als Leser richtig froh, als Henry schließlich fehlt. Doch selbst dann findet die Familie nicht zu einer Leichtigkeit, die ihr eigentlich gut tun würde. Die Figuren sind alle gefangen in ihrem Stolz und ihren jeweiligen Befindlichkeiten, sodass sie teilweise so stur sind, dass man sie manchmal wirklich anschreien und schütteln möchte. Andererseits blieben sie mir dadurch auch ein wenig fremd und kamen mir distanziert vor. Am ehesten findet man noch einen Zugang zu Juliette, die man am längsten und direktesten begleitet.

Der Autorin gelingt es sehr gut das Korsett aus Familien- und Firmengeschichte aufzuzeigen, in dem jeder seinen Platz finden muss und aus dem die einzelnen Figuren nicht oder erst sehr spät ausbrechen können. So entwickelt sich Piers anfangs zu einem ähnlich unversöhnlichem Menschen wie sein Vater, dem er nicht ähnlich sein möchte, und erkennt erst spät was ihm wirklich wichtig ist. Durch den Streit mit seinem Vater, den er sich selbst nicht verzeihen kann, und für die Folgen dessen er einen Schuldigen sucht, stößt er beinahe alle von sich die er liebt. Piers war eine interessante, aber auch schwierige Figur. Juliette, die sich nach Henrys Tod ein wenig emanzipiert, lässt jedoch weiterhin die Probleme durch den Zufall oder Joe lösen. Dass sie ihren Geliebten Gillis auch nach dessen Tod schützt und so sowohl Thea als auch seinen Kindern ihre Familiengeschichte vorenthält, fand ich den einzelnen Personen gegenüber recht unfair.

Die Autorin beschreibt den Familiensitz Marsh Court so großartig, dass das Haus und seine Umgebung immer vor meinem inneren Auge erschien, sobald die Handlung auf Marsh Court zu sprechen kam. Auch die Handlungsplätze in London sind so eindringlich und genau beschrieben, dass man den Figuren immer folgen kann. Besonders gefallen hat mir Piers Frau, die die einzige Figur ist, die immer ihr Leben in die eigenen Hände nimmt. Meine Lieblingsfiguren waren jedoch Aidan und Joe. Mir hat besonders gefallen, dass Joe so hartnäckig blieb und es für ihn und Juliette ein Happy End gab. Dass das Buch so positiv (und auch ein bisschen kitschig) ausgeht, hätte ich während des Lesens gar nicht gedacht.

Man kann der Geschichte recht gut folgen, sie ist flüssig geschrieben und schreitet gerade am Anfang recht schnell voran. In der Regel umfassen die Kapitel ca. 2 Monate, in denen man die verschiedenen Mitglieder der Familie begleitet. Während die Geschichte am Anfang richtig Fahrt aufnimmt, dümpelt sie zwischendurch ein bisschen vor sich hin, während die verschiedenen Personen in ihrem Leben und ihren Befindlichkeiten gezeigt werden. Gegen Ende wird es dann noch einmal recht dramatisch, um in einem Happy End zu gipfeln. Diese Drama-Elemente um Juliette gegen Ende fand ich etwas konstruiert, aber sie retten die Geschichte dann doch davor zu sehr in Banalitäten abzudriften. Meiner Meinung nach wurde dem Streit von Piers und Aidan zu viel Zeit eingeräumt, den hätte man schneller beenden können. Insgesamt muss ich sagen, war es ganz nett der Familie Winterton zu folgen, doch das Buch hatte ein paar Längen, wo es der Autorin schwer fällt, den Leser wirklich bei der Stange zu halten. Die Figuren sind zwar teilweise ganz interessant, aber in vielen Fällen auch etwas stereotyp.

Wer sich gerne durch Familiengeschichten mit vielen Figuren (die vorne alle aufgeschlüsselt sind, falls man den Überblick verliert) arbeitet und sich nicht abschrecken lässt, dass es zwischendurch mal an Spannung mangelt, der gerne Geschichten liest, die in England spielen, der wird mit Die Frau des Juweliers seine Freude haben.