Das Lied der Taucherin (Matthias Falke)*

© Gmeiner Verlag 

Vielen lieben Dank für das Rezensionsexemplar. 

Inhalt:

Solveig und Henrik, ein erfolgreiches Ehepaar, laden Severin, einen alten Studienfreund, zu Solveigs Geburtstagsfeier in ihr großes Stadthaus ein. Dort trifft der scheue und depressive Severin auch auf Ada, gelangweiltes Ehefrauchen und Möchtegern-Lyrikerin, ihren Mann Tom, einen erfolgreichen Arzt, sowie auf Johan, einen arroganten Armenanwalt. Hinzu gesellt sich noch Birga, eine Sängerin, die Severin auch aus der Uni kannte und mit der er eine Affäre beginnt. Solveig und Henrik haben am Svartisen-Fjord (Schwarzeis-Fjord) von Henriks Großvater ein Haus geerbt, in das sie die Freunde (außer Birga) einladen. Babs, Johans Frau, und die beiden Töchter Inga und Moni kommen ebenfalls mit. Was anfangs ein Sommeraufenthalt werden sollte, wird zunehmend eine Dauereinrichtung und bald verbringen sie alle mehr oder weniger gleichzeitig ihre Zeit in dem Haus am Fjord. Dort versucht Severin sein fünfbändiges Werk über Kassandra und die griechische Mythologie zu schreiben, was ihm mal mehr mal weniger erfolgreich gelingt. Immer wieder hört er vom Fjord her eine Stimme, die ein Lied singt, das er kennt, aber nicht einzuordnen weiß. Mit der Zeit nehmen die Verbindungen zwischen den Hausbewohnern zu und werden zunehmend schwieriger, denn jeder hat für einen Mitbewohner mehr als freundschaftliche Gefühle, denen sie alle nicht nachgeben dürfen… Oder etwa doch?!

Erster und letzter Satz:

Ein nördliches Hoch ist angekündigt, das Erleichterung bringen könnte.

„Es wird doch dadurch alles noch viel unglaubwürdiger.

Persönliche Meinung:

Puh, was soll ich zu diesem Roman sagen? Ausgesucht habe ich ihn mir, weil er in Norwegen spielt, zwar noch nicht über dem Polarkreis, wo ich ein halbes Jahr gelebt habe, aber kurz davor. Und weil mir das Cover so gefallen hat. Die Geschichte ist unheimlich vielschichtig und mit Anspielungen auf die Musik- und Literaturgeschichte und Geschichte Norwegens gespickt (die ich vermutlich nicht alle erfasst habe), so dass man sich sehr konzentrieren muss beim Lesen. Ich konnte das Buch nicht während mehrerer Bus- oder Zugfahrten lesen, weil ich immer das Gefühl hatte, von der Umgebung abgelenkt zu werden und dann vielleicht eine wichtige Andeutung zu verpassen. Man hat das Gefühl beim Lesen, dass es nicht nur auf das ankommt, was die Figuren sagen oder tun, sondern eben auch auf das, was sie nicht sagen oder nur andeuten, und dass man die Geschichte nicht vollständig erfassen kann, wenn man nicht sehr konzentriert liest. Aber trotzdem war es eine interessante Lektüre. Zeitweise kam ich mir vor wie in der Oberstufe als wir die Leiden des jungen Werther gelesen haben. Denn auch Severin versinkt im Selbstmitleid und in depressiven Stimmungen, das hab ich nicht immer verstanden, aber die Geschichte hat mich trotzdem fasziniert und ich musste weiterlesen. Auch die Tatsache, dass er sich beinahe zufällig umbringt und von der Taucherin gerettet wird, hat mich ein bisschen an Goethes Werther und den Deutschunterricht erinnert. Allerdings ist es manchmal etwas verwirrend, wenn Severin in seine Vision mit und über Kassandra versinkt und man nicht so ganz weiß, ob es sich jetzt um eine Vision handelt. Die ganze Geschichte ist sehr inspiriert von der mystischen Landschaft und Sagenwelt des Nordens. Severin ist ein Getriebener, Besessener, der schreiben muss, um leben zu können und fühlt sich immer unzulänglich, dass er nicht gut genug sei (das kenn ich beim Schreiben sehr gut). Er muss sich gegen den Anwalt Johan immer rechtfertigen, dass er keinen „für die Gesellschaft wichtigen“ Job ausübt (auch den Vorwurf kenn ich als Kunsthistorikerin gut). Es ist ein unglaublich dichter, komplexer Text mit teilweise langen, verschachtelten Sätzen, die die philosophische Sprechweise Severins ganz gut verdeutlichen. Teilweise benutzt der Autor eine recht derbe Sprache, die man aus der skandinavischen Literatur ebenso kennt wie den deprimierten, einsamen, getriebenen Protagonisten. Die weiteren Figuren (außer Severin und Solveig) bleiben ein bisschen flach, aber sie werden auch nur als Assistenzfiguren gebraucht, um eine unterschwellige Erotik zwischen allen Anwesenden aufzubauen, da jeder der Freunde eine mehr oder weniger heimliche (und unausgelebte) Vorliebe für eine andere Person des Freundeskreises hat. Zeitweise hab ich mir gedacht: jetzt geht halt alle miteinander ins Bett und dann ist gut‚.  Aber es war spannend und ich wollte immer wissen wie es weitergeht.
An den vielschichtigen Ausführungen zur Musik und Literatur, die Severin teilweise philosophierend, teilweise dozierend vorträgt, merkt man, dass der Autor beides studiert hat, außerdem hab ich mich gefragt, ob er wohl mal im Norden Norwegens gelebt hat. Er beschreibt recht genau wie es ist in der Dunkelzeit (nein, das ist kein Schreibfehler) zu leben und wie sehr man sich freut, wenn man dann die Sonne wieder sieht.
So, jetzt ist meine persönliche Meinung irgendwie ganz schön lang ausgefallen, ich danke euch, wenn ihr bis hier durchgehalten habt. Ich kann das Buch auf jeden Fall empfehlen, aber man sollte sich Zeit nehmen, man kann es nicht einfach so runterlesen und muss sich sehr konzentrieren beim Lesen. 

 

Cover& Titel:

Wie fast immer bei den Gmeiner-Büchern ist auch hier das Cover wieder wunderschön gestaltet und zieht einen magisch an. Gut, vielleicht auch nur mich, weil ich schonmal Nordlichter gesehen habe. So eins schwebt in grün-weißer Farbe über einer Nachtszene in Blautönen über der Fjordlandschaft. Und ich kann euch sagen, so sieht es tatsächlich in echt aus. An diesem Fjord war ich jetzt noch nicht, aber die Farben sind wirklich so in Norwegen und die Nordlichter sind wahnsinnig faszinierend. Falls ihr also mal nicht wisst wohin in Urlaub – im Winter nach Skandinavien auf die Jagd nach Nordlichtern! Aber das nur so nebenbei. Da der Hauptteil der Geschichte in eben diesem Haus am Fjorg spielt, passt das Cover perfekt zum Inhalt. Wenn man das Cover betrachtet, hat man das Gefühl man sitzt in diesem Haus im Wohnzimmer und blickt auf den Fjord. Das namensgebende Lied der Taucherin begleitet die Bewohner, und besonders Severin, die gesamte Zeit hindurch, auch wenn es nicht immer zu hören ist, und erst am Ende sich herausstellt, von wem es ist. Obwohl die Taucherin nur einige kurze Male auftaucht, scheint es einem beim Lesen, als hörte man das Lied immer wieder, obwohl es in der Geschichte gar nicht immer vorkommt. Also passt der Titel auch sehr gut zum Buch.
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This ebook I got by the publishers. It plays in Norway, shortly before the polar circle and is called Das Lied der Taucherin (=the song of the diver). This diver is a young woman, who lives in a fjord called svartis (=black ice). The story is about a group of friends living in a house close to this fjord. At some times they listen the song of the diver and while Severin tries to write his book about Kassandra and the greek mythology. By and by the living together starts to become difficult, because everyone generate feelings for another person in the house, but not for their wife/husband. And it´s clear, that the friendship´s broken if they give in their feelings. Or not?
It´s an interesting story, which you need to read concentrated, because it consists of several layers. Not just the things the people do or say are important for the understanding of the story, but also what the people not say or do or just betoken. At the cover you see this fjord and the picture looks like you stand in the house´s livingroom and have a look at the fjord with the northern light. Until now this book is published just in german.