Küsse zum Dessert (Annell Richter)*

Vielen lieben Dank für das Rezensionsexemplar.

Ich durfte von Annell Richter schon die „Brägenbeck“-Reihe (Sommer in Grasgrün, Land aufs Herz, Apfelgrüne Aussichten) lesen, wo wir mit Carla von München ins Örtchen Brägenbeck ziehen. In „Küsse zum Dessert“ folgen wir Toni Hoff, eigentlich Antonia von Hoff, auf ihrem Weg zum Traumprinzen. Dass sie bis dahin einige Frösche küssen muss, ist klar. Das ist recht amüsant zu lesen.

© Forever by Ullstein

Toni ist störrisch, eigensinnig und fürchterlich chaotisch. Zudem hat sie einen Hang dazu die Männer zu verklären, die sie sympathisch findet. Mit ihrer Familie will sie so wenig wie möglich zu tun haben, die Standesdünkel der adligen Familie von Hoff sind ihr zuwider, doch so ganz lösen kann sie sich doch nicht. Sie versucht sich als Volontärin in einer Werbeagentur zu behaupten und so ihren Lebensstil in Hamburg zu finanzieren. Die einzigen Konstanten in ihrem Leben sind ihre kleiner Hund Napoleon und der gutmütige, hilfsbereite Nachbar Philipp. Der ist das komplette Gegenteil von Toni: organisiert, ein bisschen nerdig und äußerst liebenswert. Die beiden besprechen bei ihren regelmäßigen teils experimentellen Kochabenden alle Neuigkeiten und philosophieren auf der improvisierten Dachterrasse (auf die bin ich ja ein bisschen neidisch!) übers Leben im Allgemeinen und das Liebesleben im Besonderen. Bis die beiden zusammenkommen – was einem natürlich von Anfang an klar wird – muss Toni noch einige Frösche küssen und erkennen, was sie eigentlich vom Leben wirklich will.

Die Geschichte startet rasant und man wird direkt in Tonis völlig chaotisches Leben reingeworfen. Man erfährt, dass sie tatsächlich und ausnahmslos chaotisch ist – in allen Bereichen ihres Lebens: ihre Wohnung ist ein einziges Durcheinander, im Job verliert sie gern mal den Überblick und ihr Liebesleben eine Aneinanderreihung von Vollidioten, die sie magisch anzieht. Nach einem überhasteten Urlaub mit Klemens, taucht auf einmal der erfolgreiche Mike in ihrem Leben auf und verdreht ihr gehörig den Kopf. Doch es braucht eine ganze Weile (im Gegensatz zum Leser) bis Toni merkt, dass mit ihm was nicht stimmt. Was genau, ist dann recht clever ausgedacht und scheint Toni in ihrem Bemühen ihre adlige Herkunft zu verschleiern Recht zu geben scheint. Und als einzige Konstante ist Philipp immer an ihrer Seite. Toni war mir anfangs sympathisch, dann jedoch ging sie mir zwischendurch gehörig auf die Nerven. Sie ist nicht nur unfassbar chaotisch und unorganisiert, sie ist auch naiv, egoistisch und fürchterlich egozentrisch. Sie stolpert durchs Leben und benutzt ihre Freunde Philipp und Pia, wann immer sie sie braucht. Auf die beiden nimmt sie jedoch kaum Rücksicht. Sie möchte erwachsen, cool und als Businessfrau wahrgenommen werden, fällt sich selbst jedoch durch ihr Verhalten und ihren Kleidungsstil selbst in den Rücken und braucht immer wieder die Hilfe ihrer Freunde, um klarzukommen. Die meiste Zeit des Buches verhält sie sich wie ein Teenager, der entdeckt, dass es Jungs gibt, und nicht wie die selbstständige Erwachsene, die sie sein möchte. Ihre Entwicklung zu der Toni, die sie sein möchte, beginnt relativ spät und ist dann – schwups – abgeschlossen und die Geschichte ist zu Ende. Da fand ich die Entwicklung von Philipp weitaus nachvollziehbarer. Er ist als Gegenpol viel tiefgründiger, vielschichtiger angelegt und besser ausgearbeitet. Großartig finde ich wie er langsam beginnt sich gegen Tonis Dominanz zu wehren und nicht mehr ihr Fußabstreifer ist. Ein Verhalten, das Toni schließlich dazu bringt umzudenken, ihr Leben und ihr Verhalten zu hinterfragen und sich schließlich zu verändern. Und dann – gegen Ende der Geschichte – wurde sie mir wieder sympathisch und ich habe mich mit ihr versöhnt. Gerade noch rechtzeitig hat sie erkannt, was sie sein will. Das Ende kam mir fast ein bisschen zu plötzlich, ich hätte gern mehr von ihrem Weg zur „Feinkost-Toni“ erfahren, das wäre sicher sehr spannend gewesen. Ihre teils ausgefallenen Rezepte klingen wirklich lecker und während es sicher Wert sie mal nach zu kochen. Wo ist der im Moment so angesagte Rezepte-Anhang?! 😉
Auch wenn die Geschichte natürlich absehbar ist, war es amüsant den beiden Figuren dabeizuzusehen wie sie sich finden und plötzlich merken, dass sie eigentlich immer schon den perfekten Partner vor der Nase hatten. Ich hätte mir noch zwei, drei Szenen gewünscht, in denen ihnen das auffällt. Die Erkenntnis kam mir ein bisschen plötzlich, auch wenn man als Leser natürlich schon die ganze Zeit eine Ahnung hat. Der Schreibstil ist wie bei den letzten Büchern des Autorinnenduos locker, leicht zu lesen und führt einen entspannt durch die Geschichte. Durch Tonis Liebes- und Berufsleben gibt´s immer wieder Auf und Abs, sodass einem beim Lesen nicht langweilig wird.
Die schöne Kulisse von Hamburg – eine meiner Sehnsuchtsstädte, die ich dieses Jahr hoffentlich wieder besuchen werde – ist wirklich super gewählt und trägt zur Eleganz und zum Hintergrund der Geschichte bei. Wenn die beiden auf der Dachterasse den Tag Revue passieren lassen, wird man ein bisschen an amerikanische Serien wie „Friends“ oder „How I Met your mother“ erinnert und sitzt gerne dazu, um über die atemberaubende Stadtlandschaft zu gucken.

Insgesamt eine schöne, amüsante Liebesgeschichte zweier Freunde, die im Laufe der Zeit erkennen, dass sie immer schon mehr waren als Freunde. Und eine Geschichte über ein wildes, ungestümes Mädchen, das von der Chaos- und Dramaqueen zur ernstzunehmenden Erfolgsfrau wird. Und das noch in einer meiner Herzensstädte. Die Geschichte ist auf jeden Fall eine unterhaltsame und entspannende Sommerlektüre.- vielleicht ja auf der Dachterrasse, wenn ihr eine habt?!