Ein halbes Herz (Sofia Lundberg)*

Vielen lieben Dank für das Rezensionsexemplar!

Inhalt

Elin war erfolgreiches Model bevor sie eine der Starfotografinnen New Yorks wurde. Sie ist schön, diszipliniert und erfolgreich, aber auch distanziert und abweisend. Wie es wirklich in ihr aussieht, erfährt niemand. Doch ein Brief mit einer Sternenkarte, versandt von einem Menschen aus ihrer Vergangenheit, die sie hinter sich lassen wollte, ändert plötzlich alles und wirft sie aus der Bahn. Ihr direktes Umfeld, ihr Mann, ihre Tochter und ihre engsten Mitarbeiter erkennen sie kaum wieder. Sie lässt Jobs sausen, ist zickig und interessiert sich plötzlich für die Natur. Doch wieder macht sie alles mit sich allein aus, einzig einem kleinen Notizbuch vertraut sie sich an. Ihre Tochter Alice versucht verzweifelt an ihre Mutter heranzukommen, sie zu verstehen und die Ehe ihrer Eltern zu retten. Nach und nach gelingt es Alice an das große Lebensgeheimnis ihrer Mutter heranzukommen. Ein Geheimnis, das das Leben der gesamten Familie auf den Kopf stellt. 

So hat´s mir gefallen

Eins schon mal vorneweg: Das Buch ist sehr emotional und nichts für schwache Nerven. Ich hatte anfangs ein paar Schwierigkeiten in die Geschichte reinzukommen, nicht weil es eine schlechte Geschichte wäre, sondern weil ich nicht bereit war mich emotional auf die Geschichte einzulassen. Schon nach wenigen Seiten war mir klar, dass es ganz schön zur Sache gehen würde. 

Die Autorin erzählt die Geschichte auf zwei Zeitebenen, einmal in der Kindheit/Jugend von Elin auf Gotland und einmal im Heute. Beides hängt natürlich zusammen und ihre Erfahrungen auf Gotland beeinträchtigen Elins Leben noch heute. Ihre Familien (also ihre Familie in Schweden und ihre Kernfamilie in New York) wissen nichts voneinander, sie hat alle Verbindungen nach Schweden abgebrochen und sich eine Fantasie-Existenz aufgebaut. Ihr Mann und ihre Tochter wissen nichts von ihrer schwedischen Herkunft. 

Man wird sofort in die Gedanken- und Gefühlswelt Elins und in ihr Leben hineingezogen, sodass man direkt teilnimmt und mitfiebert. Das Buch ist unglaublich dicht und eindringlich geschrieben und man kann sich nur schwer entziehen. 

Ihr Kindheit in Schweden, die Gewalt, ärmlichen Verhältnisse und die Familienkonstellationen werden so unvermittelt und schonungslos beschrieben, dass man wirklich mit Elin und ihrer Familie mitleidet. Einzig Frederik, Elins bester Freund, ist ein Lichtblick in diesem Durcheinander. 

Im Heute dagegen wirkt Elins Leben äußerst glamourös und beneidenswert, allerdings merkt man schnell wie oberflächlich es ist und wie einsam, wie verloren sie hinter ihrer sorgfältig aufgebauten Fassade ist, während sie versucht perfekt zu sein und ihr altes Leben hinter sich zu lassen. Elin wirkt teilweise sehr unsympathisch und merkt gar nicht wie sehr sie mit ihrem Verhalten alle von sich stößt, das war manchmal nicht angenehm und man wollte sie regelrecht schütteln, um ihr die Augen zu öffnen. Da man als Leser die Vorgeschichte kennt, kann man ihr Verhalten allerdings besser nachvollziehen als ihre Familie, die erst im Laufe der Geschichte Einblicke erhält. Elin versteckt sich und ihre Gefühle hinter ihrer Arbeit und der Kamera. Es ist spannend wie sich sich langsam entwickelt und über ihre Bilder im Notizbuch anfängt mit sich und der Umwelt zu kommunizieren. 

Ihr Ankerpunkt im Leben ist Frederik, zu dem sie eine ganz besondere Beziehung hat. Und so ist es auch nicht ungewöhnlich, dass sein Brief die alten Wunden wieder aufreissen. Und es ist auch nicht ungewöhnlich, dass genau dadurch Elin beginnt zu heilen. Er holt sie quasi wieder ins Leben zurück.

Das Buch ist wie eine Zwiebel – Schicht um Schicht wird die Geschichte und der Charakter von Elin freigegeben. Das ist hochemotional und so kommen einem beim Lesen das eine oder andere mal die Tränen, oder man braucht auch mal eine Pause. 

In der Gegenwart hat das Buch ab und an seine Längen, aber darüber kann man hinwegsehen. Was ich allerdings nicht verstanden habe, ist das Verhalten von Elins Mutter. Sie hat nie versucht ihre Tochter zu finden oder sie zu kontaktieren. Wieso sie das nicht versucht hat, ist mir nicht klar geworden, dieses Motiv war mir nicht gut genug erklärt. Auch hätte ich mir gewünscht, dass Sam eine präsentere Rolle im Verlauf einnimmt, da er für Elin eine wichtige Bezugsperson ist. Das wird immer wieder deutlich, aber er selbst bleibt ein bisschen blass. 

Wer noch auf der Suche nach einer Sommerlektüre ist und bereit ist, sich emotional auf die Geschichte einzulassen, der sollte „Ein halbes Herz“ von Sofia Lundberg lesen. Als großer Fan skandinavischer Literatur kann ich diese Geschichte sehr empfehlen. Es war sicher nicht das letzte Buch, das ich von Sofia Lundberg gelesen habe. 

Cover

Das Cover in Grautönen zeigt präsent eine junge Frau im Seidenkleid mit Sonnenbrille im Haar und einer Kamera. Sie fokussiert auf den Betrachter und ist zwar erkennbar, aber eben doch hinter der Kamera versteckt. Das Cover passt super zum Inhalt des Buches

Buchdaten

Autorin: Sofia Lundberg

Titel: Ein halbes Herz

Originaltitel: Ett frågetecken är ett halvt hjärta

Übersetzung: Kerstin Schöps

Veröffentlichung: 2020

Verlag: Random House |Goldmann Verlag München

ISBN: 978-3-442-31494-2